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Industry Forum: KI und die Zukunft der Arbeit

© ECDF l Felix Noak

Wird Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt, wie wir sie heute kennen, komplett umkrempeln? Mit dieser und anderen Fragen hat sich das das sechste ECDF Industry Forum auseinandergesetzt, das am 01. Februar 2021 aufgrund der Corona-Pandemie wieder als digitales Format stattgefunden hat. Die rund 70 Teilnehmer*innen beleuchteten diesmal den Einfluss von KI auf die Arbeitswelt von morgen und diskutierten neue Möglichkeiten und denkbare Probleme.

Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Odej Kao, Sprecher des Einstein Center Digital Future (ECDF), sowie organisatorischen Hinweisen durch Moderator Tim Kawalun, stiegen die Professor*innen Philipp Staab und Janina Sundermeier gleich thematisch ein: „Im öffentlichen Diskurs wird bereits viel über Künstliche Intelligenz und deren Übernahme von menschlichen Aufgaben diskutiert, dabei wissen wir noch sehr wenig über den Einfluss von KI auf die Arbeitswelt“, erklärt Philipp Staab, Professor der Soziologie am ECDF und der Humboldt-Universität zu Berlin. Während einige bereits glauben, dass die KI eine neue Basistechnologie ist – vergleichbar mit der Erfindung der Elektrizität – durch die andere Innovationen überhaupt erst möglich sind, plädiert Staab eher dafür, die KI-Anwendungen als „Insellösungen“ zu begreifen, mit der lediglich eine Teilautomatisierung der Arbeit stattfinden wird: „KI bedeutet in vielen Fällen einfach nur „maschinelles Lernen“ und das wird schon sehr häufig eingesetzt, ohne, dass Unternehmen es als Künstliche Intelligenz wahrnehmen“. Janina Sundermeier, assoziierte Professorin des ECDF, betonte, dass bereits bei der Implementierung von KI Diversität wichtig ist, damit Prozesse, die später automatisiert ablaufen, nicht diskriminieren. Der Einsatz von KI in Unternehmen biete aber generell die Möglichkeit, ein tieferes Level an Diversität zu erreichen, weit über die Gleichstellung von Männern und Frauen hinaus.

In den darauffolgenden Pitches wurden weitere Vorteile von Künstlicher Intelligenz thematisiert. Den Auftakt machte Oliver Giering zu einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit ECDF-Professor Stefan Kirchner. Im Projekt konzentriert sich ihre Forschung auf Schwache KI, also Systeme, die konkrete Anwendungsprobleme lösen, wie zum Beispiel die weitverbreitete Spracherkennung, die längst im Alltag angekommen ist. Bei dieser Form von Künstlicher Intelligenz geht es eher darum Muster und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und daraus Handlungen abzuleiten als menschliche Arbeit komplett zu ersetzen. Anastasia Danilov, ECDF-Professorin für Organisationsökonomik der Zukunft der Arbeit, diskutierte Vorteile und Herausforderungen, die die Nutzung von KI-basierten Tools für das Personalmanagement mit sich bringt. Die Datengrundlage ist zwar häufig gut, KI-basierte Instrumente scheitern aber häufig an der Frage, was einen guten Mitarbeitenden ausmacht. Die Qualität der KI-basierten Personalentscheidung hängt außerdem stark von den Trainingsdaten ab, erklärt Anastasia Danilov: „Es kann vorkommen, dass die KI nur Kandidaten auswählt, die sehr ähnlich zu aktuellen Mitarbeiter*innen sind – das wäre aber nicht immer im Sinne des Unternehmens. Es kann aber auch sein, dass die KI Kandidat*innen, die nicht in das übliche Schema passen, besser identifiziert werden. Abschließend gab Anastasia Danilov Einblicke in ihre aktuelle Studie zum Einsatz von KI in Unternehmen (zur Umfrage geht es hier).

ECDF-Professorin Helena Mihaljevićs Forschung setzt schon etwas früher an und untersucht den Einfluss von nicht-inklusiver Sprache in Stellenanzeigen. Auch hier geht es darum, bestimmte Muster zu erkennen, erklärt Mihaljević, da Jobsuchende die Online-Anzeigen lesen und evaluieren, ob ihr eigenes Profil darauf passt. „Bei bestimmten Wörtern fühlen sich ganze Teile unserer Bevölkerung nicht angesprochen: Wenn ein Unternehmen eine Stelle für Programmierer*innen ausschreibt und darin von Coding-Ninjas spricht, werden sich Frauen eher nicht damit identifizieren können.“ KI könne die Stellenanzeigen vorab analysieren und dabei helfen, Texte eher neutral zu formulieren um mehr Diversität unter den Bewerber*innen zu erzeugen. ECDF-Professor Max von Grafenstein rundete die wissenschaftlichen Kurzvorträge mit ethischen bzw. rechtlichen Fragestellungen zu mittelbarer Diskriminierung in Einstellungsverfahren ab. Während direkte Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht oder Religion mittlerweile Vielen ein Begriff sei, sei die mittelbare Diskriminierung eher weniger geläufig, obwohl auch sie weitreichende Konsequenzen habe. Max von Grafenstein hat am ECDF die Professur für „Digitale Selbstbestimmung“ inne und illustriert mittelbare Diskriminierung an einem bekannten Beispiel: „Wenn der Arbeitgeber beschließt, erstmal keine Bewerber*innen aus der Bronx, einem New Yorker Stadtteil einzustellen, ist auf den ersten Blick keine Diskriminierung zu erkennen“, erklärt von Grafenstein. Beim genaueren hinschauen wird aber klar, dass die Bronx, bevor die Gentrifizierung vor einigen Jahren auch hier Einzug hielt, ein Stadtteil von New York war, in dem mehrheitlich Schwarze Menschen lebten: „Kandidat*innen aus der Bronx auszuschließen ist also Diskriminierung durch die Hintertür – das meint mittelbare Diskriminierung“.

Die anschließenden Breakoutsessions nutzen Professor*innen und Teilnehmende, um sich zu spezifischeren Fragen auszutauschen und weitere gemeinsame Projekte zu besprechen. Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Moderator Tim Kawalun noch eine Neuerung am ECDF vor, das TV-Studio: „Wir hoffen natürlich, dass unser Industry Forum in Zukunft auch wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden kann. Unser nächstes Industry-Forum zum Thema Digital Health am 26.04.2021 wird aber nochmal als digitales Format stattfinden in unserem neuen TV Studio, welches wir auch gerne unseren Professor*innen und Partner*innen zur Verfügung stellen“ unterstreicht Kawalun zum Abschluss.