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Textilien und Sound: Die Zukunft der Oper?

Wie könnte die Oper der Zukunft aussehen? Welche Potenziale liegen in der Digitalisierung? Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI)? Diesen Fragen widmet sich das Projekt oper.digital. Und wenn es nach den Beteiligten von oper.digital an der Neuköllner Oper geht, gehört einfaches Streamen der Vergangenheit an: In insgesamt sieben Shows von The Dean of Germany wird an der Schnittstelle von Musik und Digitalisierung experimentiert. Das Publikum ist immer mit dabei, dank digitalem Applaus, Crowd-Composing und Fitnesstrackern nimmt es von zu Hause aus aktiv an der Show teil. 

In den meisten Shows kommt auch der Conductor Suit, ein sogenanntes textiles Wearable zum Einsatz, entwickelt u.a. von den ECDF-Professor*innen Emmanuel Baccelli, Felix Biessmann und Berit Greinke, wobei letztere das Projekt leitet.

Im Anschluss an die sechste Show am 04. Mai 2021 folgte das erste Laboratorium, in dem die Hintergründe zu den technischen Innovationen erläutert wurden. Über acht Wochen wurden Bewegungssequenzen des Dirigenten Claas Krause vom Verworner-Krause-Kammerorchester (VKKO) genau analysiert. Das Ergebnis ist ein maßgeschneiderter interaktiver Anzug, der als performatives musikalisches Werkzeug in der Show zum Einsatz kommt: „Der Anzug erkennt die Gesten von Claas Krause und kann so Soundeffekte erzeugen – fast wie ein tragbares Instrument“, erklärt Professorin Berit Greinke. „Dafür kam ein interdisziplinäres Team aus Kostümdesigner*innen, Textildesign*innen, Informatiker*innen, Elektrotechniker*innen und weiteren Disziplinen zusammen, alle mit ganz unterschiedlichen Forschungszielen, das macht die Arbeit total spannend“. Dank KI kann außerdem nachjustiert werden, denn elektronische Textilien sind weniger verlässlich als standardisierte Sensorik: Textilien ändern sich, nehmen Feuchtigkeit auf oder weiten sich, und jedes Mal ändern sich auch die Daten, die aus den elektronischen Textilien empfangen werden. Mit Hilfe der Machine-Learning-Algorithmen lassen sich auch kurz vor oder während der Performance nochmal neue Trainingsdaten einspielen.

Clemens Seemann, Projektleiter von oper.digital, erklärt im Gespräch, dass Digitalisierung und Oper aktuell noch als Gegensätze begriffen werden: „Mit oper.digital wollen wir die digitale Generation für die Oper begeistern. Dafür suchen wir neue Ansatzpunkte. Ein erster Schritt stellt der Einsatz von textilen Wearables oder eben dem digitalen Applaus dar, damit Publikum und Musizierende verbunden sind, obwohl sie sich nicht im selben Raum befinden“, so Seemann.

Wie geht es weiter mit der Oper der Zukunft? Berit Greinke sieht noch viel Potenzial im Anwendungskontext der Bühne: „Hier kommen verschiedene Formen der Kommunikation und Gestik zusammen, da würde ich sehr gerne noch mehr erforschen. Aktuell arbeiten wir mit verschiedenen Musiker*innen daran ihre Instrumente zu erfassen“, so Greinke. In der Oper der Zukunft könnten dann also auch textile Wearables für Trompeter*innen, Cellist*innen und Vibraphonist*innen die Bühnen erobern.