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„Das Thema digitale Identität sollte in Zukunft vermehrt interdisziplinär bearbeitet werden“

copyright: phase one photography

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Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Industrie aus 23 Ländern haben sich am 8. und 9. November in Berlin zum World Frontiers Forum (WFF) getroffen – darunter Vertreter*innen des Einstein Center Digital Future (ECDF). Prof. Dr. Odej Kao, Prof. Dr. Florian Tschorsch, Prof. Dr. Max von Grafenstein und Sophie Marquitan diskutierten mit den anderen Teilnehmer*innen über das Thema „Digitale menschliche Identität“. Florian Tschorsch gab in seiner Keynote Einblicke in sein Forschungsgebiet der anonymen Internetkommunikation. Simone Harr hat anschließend mit ihm über das WWF gesprochen.

Beim WWF sind Sie der Frage nachgegangen, was wir machen können, um anonyme Identitäten im Internet zu stärken. Welche Möglichkeiten haben wir?
Tschorsch: Das Tor-Netzwerk ist, meiner Meinung nach, die derzeit beste existierende Lösung, um online Anonymität zu etablieren. Technisch zielen wir darauf ab alle Nutzer*innen für externe Beobachter*innen gleich aussehen zu lassen; je größer die Nutzerschaft, desto stärker die Anonymität. Was aber gerne vergessen wird ist, dass es bei anonymer Kommunikation auch um Diversität geht. Wenn der Datenverkehr nur von Dissident*innen und Aktivist*innen produziert wird, ist deren Schutz schwächer. Jede*r kann durch die Nutzung von Tor beziehungsweise durch Wertschätzung von datenschutzfördernden Technologien im Allgemeinen dem entgegenwirken. Mit dem Vortrag auf dem WFF wollte ich schließlich einen Beitrag zum Abbau des sogenannten "Nothing to Hide"-Arguments leisten.

Welche spannenden und vielleicht überraschenden Begegnungen hatten Sie während des WFF?
Tschorsch: Als Informatiker habe ich eine spezielle, durchaus eingeschränkte, Sicht auf digitale Identitäten. Mir war klar, dass der Identitätsbegriff viel umfassender betrachtet werden kann und beispielsweise auch das Selbstverständnis und kulturelle Einflüsse berücksichtigt werden. In den zwei Tagen des WFF wurde mir die Dimension aber nochmal sehr bewusst und ich wurde durch die verschiedenen Beiträge und Gespräche stets herausgefordert, jenseits meiner Disziplin zu denken.

Wo wird die Reise bezüglich der digitalen Identität der Menschen in Zukunft hingehen?
Tschorsch: Das Thema ist so groß, dass ich das nicht beantworten kann. Ich glaube aber auch, dass konkrete Ziele zu formulieren nicht der primäre Vorsatz des WFF war. Die Absichten waren viel bescheidener. So war eine der Methoden das sogenannte „Nudging“, also den Teilnehmenden Impulse und neue Sichtweisen mitzugeben, um sich weiterzuentwickeln. Dabei setzt man mehr auf eine glückliche Fügung (Serendipität), was für mich erstaunlich gut funktioniert hat. Eines kann ich allerdings mit Überzeugung sagen: Das Thema digitale Identität sollte in Zukunft vermehrt interdisziplinär bearbeitet werden.

Fotonachweis: phase one photography